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Wie eigne ich mir Musik an? - Teil 1, Gitarre


Nein, ich will hier keinem die Flötentöne beibringen. Obwohl das Dogma der “schönen Töne” natürlich auf jedes Instrument zutrifft. Von der Stimme über Gebläse bis zu Gezupfe und Geklopfe. Da mag einer einwenden: Aber wenn das Lied technisch gut läuft, dann ist die Sache doch geritzt? Kein Mensch im Publikum hört doch die Feinheiten? Vor allem nicht bei größeren Veranstaltungen? Sollte man meinen.
Ich habe aber für mich festgestellt, dass ich persönlich Songs oder Stücke nur über einen längeren Zeitraum immer wieder spielen kann, wenn ich die „Seele“ des Stücks oder des Songs für mich zum Klingen kriege. Nur dann macht es mir selbst Freude und ich kann die Sachen immer wieder spielen, ohne dass es sich mechanisch anfühlt. Dafür bin ich auch bereit, einiges an Arbeit zu investieren. Bei der Erarbeitung eines Songs verwende ich 30% auf Spieltechnik, Gesangstechnik und Textlernen. Die restlichen 70% werden dann in „schöne Töne“ investiert. Will heißen: Ich übe den Song erst mal konsequent technisch ein. Und zwar verteilt auf viele kleine Schwerpunkte.
Erst, wenn die Technik klappt, kümmere ich mich um den Klang. Mein Ziel ist zunächst einmal, die Dinge ganz “glatt” und gleichmäßig zu spielen. Dennoch bildet sich in dieser Stufe der Erarbeitung oft schon die erste Dynamik heraus.
Zunächst einmal muss ich mir klar werden, was ich genau spiele.
Welches Instrument? Klassische Gitarre, E-Gitarre, Western-Gitarre, Ukulele?
Bei klassischer Gitarre und Ukulele geht es oft erst um das Festlegen des Fingersatzes und der Lagen, bei Western-Gitarre und E-Gitarre um Akkord-Umkehrungen und Anschlagstechnik.

Also:

  • „Anschlag: abgedämpft oder frei?“,
  • „Akkorde – Arpeggio – Riffs?“
  • „Pick – Fingerpick – nur die Finger?“,
  • „Extraeffekte wie Slappen oder Klopfen?“

Erst wenn ich das geklärt habe, kann ich mit dem Üben beginnen. Wobei sich oft noch manches im Fluss ändert.
Bei der Gitarre muss die Technik sicher sitzen. Also picke ich kleine schwierige Stellen heraus und übe sie stur so lange, bis sie leicht gehen. Gerne mit Metronom. In jedem Fall erst mal sehr langsam, bis ich das Tempo steigern kann. Muss ja schließlich so automatisch und im Schlaf gehen, so dass ich es live auch zuverlässig hinbekomme. Zwischendrin laufe ich dabei auch mit umgehängter Gitarre durchs Zimmer. Und lache herzlich über die Knoten in meinen Fingern.
Wenn ich die Sache gut kann, kommt die Probe aufs Exempel: Laute “Stör”-Musik anmachen, auswendig spielen, obwohl ich mich selbst fast nicht höre und völlig auf die Finger und meine innere Vorstellung verlassen. Erst dann sitzen die Sachen wirklich. Ein Meister darin ist Nuno Bettencourt. (geschlossene Augen bei: Am I Ever Gonna Change und Rise)
Wichtig: Pausen nicht vergessen!
Kritische Stellen übe ich am besten über den Tag verteilt mehrfach immer nur fünf Minuten.

Dann setze ich mich mit dem Ausdruck der Gitarre auseinander: Welche Rolle spielt die Gitarre? Stellt sie eher einen Kontrapunkt zur Stimme dar, soll sie eher neutrale Begleitung sein oder eher den Gesang im Ausdruck noch verstärken?
Welche Betonungen bringen die Essenz der Gitarrenstimme am besten heraus? Welche Töne transportieren die Botschaft des Songs?
Ich probiere in dieser Phase verschiedene Dinge aus:
Langsam spielen, schnell spielen. Laute und leise Töne variieren. Töne ziehen, Vibrato. Dann spiele ich das Stück mit übertriebenem Ausdruck, versuche, alles an Gefühl aus der Gitarre zu holen, was geht. Auch hier gilt: erst mal langsam, dann das Tempo steigern.
Die von mir so geliebten perkussiven Elemente wollen extra trainiert werden. Dabei achte ich immer penibel auf die Haltung: Sind die Schultern unten und nicht verdreht? Wie hoch muss der Gitarrenhals sein, wie schräg die Gitarre zum Körper stehen? Muss ich die Position der Gitarre im Stück verändern, je nachdem, was ich grade spiele? Dabei spielt vor allem der Hebel der klopfenden Hand eine große Rolle. Manche meiner Stücke brauchen tatsächlich eine mehrfach veränderte Gitarrenhaltung, die ich gezielt übe.
Ziel ist immer, dass der Oberkörper möglichst entspannt aufrecht ist, damit die Atmung für’s Singen klappt.
Wenn ich zusätzlich Bodeneffekte brauche, wird auch das Treten geübt. Dabei achte ich darauf, dass die Effekte nicht sich selbst dienen, sondern nur den vorher erarbeiteten Ausdruck unterstützen und verstärken. Und alles erst wieder mal langsam… bis hin zum Realtempo.
Dann steigere ich mein Tempo auf noch höhere Geschwindigkeit, um Sicherheit zu gewinnen. Dabei versuche ich vor allem, den Ausdruck der Gitarre schön rüber zu bringen.
Super, wenn ich so weit gekommen bin, dass es klappt. Da freu ich mich dann über jeden Ton. Das macht erst so richtig Spaß – ein Gitarrenfest! So, genug geübt für heute!

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